Die Turtle Foundation begrüßt zwei neue „Mitarbeiter“ in ihrem Team: Karetta und Kelo, zwei junge, quirlige Labradore, die als Artenschutzhunde ab 2018 unser Team auf Boavista unterstützen werden. Sie haben am 13. Juni 2017 im anerkannten slowakischen Zwinger Aguzannis das Licht der Welt erblickt und befinden sich derzeit in der Obhut der Schweizer Hundetrainerin Marlene Zähner, wo sie nun spielerisch auf ihre zukünftigen Aufgaben im Dienste des Schutzes der bedrohten Meeresschildkröten vorbereitet werden.
Hündin Karetta (links) und Rüde Kelo (rechts) im Alter von vier Monaten im Zwinger Aguzannis, Oktober 2017
Hundenase: Nicht nur die 10–20fache Menge an Riechzellen erklären die millionenmal höhere Riechleistung des Hundes gegenüber der des Menschen, sondern auch entsprechende Anpassungen seines Gehirnes. Bild: By Elucidate – Own work, CC BY 3.0
Hundenasen vollbringen Unglaubliches: Sie erschnüffeln unterschiedlichste Gerüche in geringsten Konzentrationen, und können dabei sogar erkennen, ob etwa ein Mensch an Diabetes erkrankt ist. Hunde leben mit ihren Supernasen in einer besonderen Sinneswelt, die uns weitgehend fremd ist, deren Komplexität aber der unserigen, die hauptsächlich durch Licht, Farben und Formen geprägt ist, mindestens ebenbürtig ist. Die daraus resultierenden Fähigkeiten des Hundes macht sich der Mensch schon seit langem zu nutze, sei es zum Aufspüren und Verfolgen von Jagdwild, heute aber auch zum Auffinden von Lawinen- oder Erdbebenopfern oder bei Polizei und Zoll als Drogen- und Sprengstoffhunde, um nur einige zu nennen.
Seit eher jüngerer Zeit bekommen Hunde auch eine immer bedeutendere Rolle im Artenschutz, wo inzwischen eine Vielfalt an Einsatz-Szenarien entwickelt wurde. Häufig werden Hunde darauf trainiert, Spuren oder andere Hinterlassenschaften bestimmter Tierarten zu erkennen. Auf diese Weise kann dann in bestimmten Gebieten das Vorkommen und die Häufigkeit bedrohter Tierarten erfasst werden, was enorm dabei hilft, diese Tiere zu erforschen und geeignete Schutzstrategien für sie zu finden.
Manchmal ist es einfach auch nötig, die zu schützenden Tiere direkt aufzufinden, um sie vor Baumaßnahmen oder anderem bevorstehenden Schaden in Sicherheit zu bringen. Ein solcher Einsatz wurde schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal dokumentiert, als in Neuseeland Hunde dazu verwendet wurden, Kiwis und Kakapos zu finden und auf eine damals noch von Raubtieren freie Insel umzusiedeln. Heute bilden auch die Zollbehörden in aller Welt vermehrt Hunde dazu aus, in Flug- und Schiffshäfen artenschutzrelevante Schmuggelware wie Elfenbein und Hörner von Nashörnern in Fracht und Reisegepäck aufzuspüren.
Die belgische Schäferhündin Brin hilft in Südafrika beim Aufspüren der vom Aussterben bedrohten Geometrischen Landschildkröte. Dies hilft nicht nur der Bestandsanalyse, denn so konnten auch schon einige Exemplare dieser extrem seltenen Tiere aus einem Neubaugebiet gerettet werden. Bild: CapeNature
Mit Karetta und Kelo werden nun auch wir auf die Mithilfe von Artenschutzhunden setzen, um auf der Kapverdeninsel Boavista die bedrohten Unechten Karettschildkröten noch besser vor Wilderern schützen zu können. Ein wesentlicher Grund hierfür ist eine Schwachstelle unserer ansonsten sehr erfolgreichen nächtlichen Strandpatrouillen: Wilderer können sich in der Dunkelheit relativ leicht im landseitigen Bereich des Strandes hinter den Dünen verstecken und abwarten, bis unsere Patrouille vorbeigelaufen ist. Inzwischen haben sie gelernt, dass eine gewisse Zeit vergeht, bis eine Patrouille wieder zurück und nutzen diese Zeit gezielt, um sich unbeobachtet an Land kommende Schildkröten zu schnappen.
Obwohl wir alle Niststrände komplett mehrmals pro Nacht ablaufen, ist einfach unmöglich, auf den weitläufigen Stränden überall zur gleichen Zeit zu sein. Hier kommen nun unsere Hunde ins Spiel: Zusammen mit ihren speziell ausgebildeten Hundeführern sollen sie die Patrouillen begleiten und dabei im Zickzack-Lauf die rückwärtigen Strandbereiche absuchen. Sollten sie dort auf Menschen stoßen, würden sie dies durch Gebell signalisieren, natürlich ohne mit diesen Menschen zu interagieren oder ihnen zu nahe zu kommen. Die Hundeführer und Patrouillen haben dann die Möglichkeit, die Situation zu untersuchen und im Falle eines Verdachtes oder nachgewiesener Wilderei Beweise für eine Anzeige und Strafverfolgung zu sichern. Natürlich wird dabei die direkte Auseinandersetzung mit den Wilderern vermieden, solange nicht auch Polizeikräfte mit entsprechenden Befugnissen die Patrouillen begleiten. Dennoch wird die Tätigkeit der Wilderer massiv gestört, und jeder Verdacht von Wilderei wird natürlich sofort bei den Behörden zur Anzeige gebracht und durch gesammeltes Beweismaterial belegt.
Strand Canto im Nordosten Boavistas. Dünen und Büsche bieten zahlreiche Verstecke für Wilderer, wo sie des Nachts ohne den Einsatz von Spürhunden kaum auszumachen wären.
Eine zweite wichtige Aufgabe ist auch der Nachweis und die Dokumentation solcher Fälle von Wilderei, die vielleicht trotz allem nicht verhindert werden können. Durch Absuchen der Dünenbereiche am Tage können Überreste gewilderter Schildkröten oder auch andere Anzeichen von Wilderei, wie etwa Blutspuren, zurückgelassene Hilfsmittel oder auch eine Schleifspur von einer Schildkröte zu einem inzwischen abgefahrenen Kraftfahrzeug hin, ermittelt und den Behörden gemeldet werden. Durch regelmäßige Anzeige belegbarer Zwischenfälle können die Behörden besser für die bestehende Wilderei-Problematik sensibilisiert werden, weiterhin können besonders gefährdete Gebiete identifiziert und engmaschiger überwacht werden. Nicht zuletzt ist auch geplant, die Hunde am Flughafen und den Schiffshäfen von Boavista einzusetzen, um geschmuggeltes Schildkrötenfleisch aufzuspüren. Und da unsere beiden Labradore einer sehr menschenfreundlichen und beliebten Hunderasse angehören, können sie uns sehr gut in unserer Öffentlichkeitsarbeit und bei den Umweltbildungsprogrammen für Kinder unterstützen.
Wir sind außerordentlich erfreut, dass wir für das Training unserer neuen Schützlinge die bekannte Schweizer Hundetrainerin Dr. Marlene Zähner gewinnen konnten. Frau Zähner ist Tierärztin und hat sich darüber hinaus auf Hundetraining insbesondere für den Artenschutz spezialisiert. Sie gründete im Jahr 2014 die Organisation „DodoBahati – Stiftung zum Schutz der letzten Wildtiere“. In den Projekten von DodoBahati kommen auch erfolgreich Artenschutzhunde zum Einsatz, die Frau Zähner ausgebildet hat, wie etwa im Congohound-Projekt zur Bekämpfung von Wilderei auf Berggorillas und Waldelefanten im zentralafrikanischen Virunga-Nationalpark. Frau Zähner besuchte unser Projekt auf Boavista im September 2017, um vor Ort die nötigen Informationen und das Gefühl für die Entwicklung der richtigen Strategien zu bekommen. Nach Ihrer Rückkehr in die Schweiz wurde sie auf einen Wurf einer sehr erfolgreichen Labrador-Arbeitslinie aufmerksam, die im von Frau Anastázia Guzanová mit viel Hingabe und Engagement betriebenen Zwinger Aguzannis in der Slowakischen Republik gezüchtet wird.
Aus diesem Wurf nun wurde ein Geschwisterpärchen erwählt und bald darauf, im Alter von etwa vier Monaten, in das Schweizer Tierfürsorge, und Trainingszentrum „FarmersPlace“ in der Nähe von Basel, das von Frau Zähner geleitet wird, verbracht. Dort erhielten die beiden Labradore ihre endgültigen Namen, die an die in den Gewässern um die Kapverden häufigsten Meeresschildkröten-Arten anlehnen: Karetta (Caretta caretta, Unechte Karettschildkröte; Züchtername: Chleo)) und Kelo (Chelonia mydas, Grüne Meeresschildkröte; Züchtername: Chipdale). Derzeit erhalten Karetta und Kelo, die inzwischen ihr ungestümes Halbwüchsigen-Alter erreicht haben, in FarmersPlace eine altersgerechte Grundausbildung. Im Training wird vor allem auf den bei Labradoren sehr ausgeprägten Spieltrieb und ihren Arbeitseifer gesetzt und diese auf die zu erlernenden Ziele gelenkt.
Karetta und Kelo auf dem Gelände des Tierfürsorge- und Trainingszentrums FarmersPlace Ende November 2017. Bilder: Hiltrud Cordes / Turtle Foundation
Die Hunde sind nur die halbe Miete, der Erfolg ihres Einsatzes hängt natürlich genauso wesentlich von den Hundeführern ab. Wir sind deshalb sehr froh, dass sich unter unseren zuverlässigsten Rangern zwei Anwärter gefunden haben, die über die nötigen Fähigkeiten, das Interesse und die Hingabe verfügen, um diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen. Valdir Santos und Ivan Lima werden im Frühjahr 2018 für vier Wochen in die Schweiz reisen, um zu Hundeführern ausgebildet zu werden, und damit sie und die Hunde sich gegenseitig und ihre neuen Aufgaben kennenlernen. Später wird Marlene Zähner mit Karetta und Kelo für eine weitere vierwöchige Trainingsphase nach Boavista reisen, an deren Ende die Hunde in die Obhut ihrer Hundeführer übergeben werden. In ihrer ersten Schildkröten-Nistsaison werden Karetta und Kelo als einjährige Hunde noch nicht die volle Kraft haben, um die Patrouillen jede Nacht mehrere Stunden begleiten zu können, aber sie werden bereits beginnen können, ihre Aufgabe als Flächensuchhunde zu übernehmen.
Karetta und Kelo werden darauf voraussichtlich ihr gesamtes weiteres Leben auf Boavista verbringen, um dort gemeinsam mit ihren Hundeführern zu helfen, das Überleben der bedrohten Meeresschildkröten zu sichern. Dabei wird natürlich für eine artgerechte Unterbringung und eine laufende tiermedizinische Betreuung gesorgt. Sie werden immer unter der Obhut von Marlene Zähner und der Turtle Foundation stehen und im Falle von Krankheit, Verletzung oder Misserfolg in die Schweiz oder nach Deutschland zurückkehren. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass Karetta und Kelo sowie ihre menschlichen Begleiter eine sehr große Bereicherung für den Schildkrötenschutz auf Boavista darstellen werden und freuen uns schon sehr auf ihren ersten Einsatz in der Nistsaison 2018.
Ergänzende Links:
DodoBahati – Stiftung zum Schutz der letzten Wildtiere
Dr. Marlene Zähner auf Hundeherz.ch
Trainingszentrum FarmersPlace in Kleindöttingen/Burlen, Schweiz
Zwinger Aguzannis in Dunajská Streda, Slowakei
Bild und Titelbild oben: Hiltrud Cordes / Turtle Foundation